Monday, November 13, 2006

17. Oktober - Rückkehr aus dem Hochland und neue Erlebnisse

Heimkehr…

Dieser Bericht erreicht euch absolut verspätet, da das Einstellen der ellenlangen Nuwara-Eliya-Erlebnisse so seine Zeit gedauert hat. Aber schließlich möchte ich euch meine Erfahrungen auch schön der Reihe nach servieren:
Von Moskitos (was habe ich sie vermisst) und niederschmetternder Hitze begrüßt, fand ich mich am 17. Oktober, nach einer Woche Aufenthalt im grünen Paradies Sri Lankas, wieder in Wattala ein. Unsere Anleiterin Schwester Niluka sagte am Tag unserer Abreise noch, wir sollten uns per SMS melden, sobald wir wieder auf dem Rückweg sind. Sie hat uns im Endeffekt dann doch mehr vermisst als sie eigentlich zugeben wollte. Sie schrieb uns jeden Abend eine SMS und bekundete einen Tag vor unserer Abreise, dass wir ihr sehr fehlen. Es ist ein schönes Gefühl zu spüren, dass wir einem der Menschen fehlen, der hier einen Teil unserer „Familie“ bildet.

Kaum wieder in der Heimat, stand am 18. Oktober in unserer Einrichtung das nächste Highlight an – der Namenstag von Sister Niluka. Namenstage werden hier sehr intensiv gefeiert, wesentlich mehr als Geburtstage. In der Woche unserer Abwesenheit hatten die Mädchen ein buntes, festliches Programm zusammengestellt, eine Mischung aus traditionellen Tänzen und ausgelassenen Spielen. Um 16.00 Uhr fiel der Startschuss – grazil und anmutig präsentierten sich unsere Mädchen in kunstvoll gebundenen Gewändern, jeden Tanzschritt auskostend – eben wahre Ladies.

Auch wenn sie selbst ihren Wert oft nicht erkennen, weil sie auf Grund ihrer Erfahrungen oft innerlich gebrochen sind, so sind sie für mich wertvoll und ich versuche sie so zu behandeln, auch wenn ich mal einen schlechten Tag habe und selbst innerlich sehr erschöpft bin. Sicherlich gelingt es mir nicht immer diesen Vorsatz einzuhalten, aber die Zeit hier ist eine Zeit der Übung, Selbsterfahrung, Prüfung und Reifung. Ich werde gereifter zurückkehren, doch bin ich nicht wie ein perfekt geschliffener Edelstein hier hergekommen. Das muss ich mir des Öfteren bewusst machen, da mein mir selbst auferlegter Perfektionismus mich auch hier des Öfteren zu Boden zwingt. Doch ich komme durch meine Höhen und Tiefen, gewinne hier merkliches Vertrauen in meine Beziehung zu Gott und das stärkt ungemein.

Zurück zum Fest – nach dem wirklich atemberaubend schönen Programm, war Tanzen angesagt. Da wurde der singhalesische Hip Hop bis zum Anschlag aufgedreht, der aus dem Radio tönte und die Mädels ließen ihrer ausgelassenen Stimmung freien Lauf. Ein Bild, was ich hier selten erlebt habe. Ich hatte das Gefühl, dass diese ungezwungene Freiheit des Augenblicks Kraft bringend und wohltuend auf die Mädchen wirkte, die auch in der Einrichtung stets diszipliniert und strukturiert leben (müssen) – das „System“ sieht individuelle Entfaltung eben nicht vor, ich sprach das Problem ja bereits des Öfteren an.

Das Abschlussbild des Abends: Junge Frauen ,die im Kreis zusammen feierten und ich mitten unter Ihnen. Unsere nackten Füße spürten das frische Gras, als sie sanft vom herabrieselnden, kühlen Regen beträufelt wurden – der Wolkenbruch hatte wie in letzter Zeit immer häufiger, mit der Dämmerung eingesetzt – einfach himmlisch…

Und dann am nächsten Tag, die volle Wucht in die Magenkuhle. Galle, 7.45 a.m.- Anschlag auf den Marinestützpunkt, im Anschluss trieb man die tamilischen Bewohner durch die Straßen – das lässt gewisse Erinnerungen wach werden…. Was geht hier ab, verdammt? Eines ist hier jedoch wahrlich unheimlich, ich bekomme von diesen Bluttaten NICHTS MIT, rein GAR NICHTS!!! Es ist wirklich unglaublich, aber wenn ich nicht das Medium Fernsehen nutzen würde, um mir die Nachrichten anzusehen, dann wüsste ich nicht im Geringsten was hier in diesem Land gerade los ist. Wenn sich die blutige politische Situation nun auf Touristengebiete ausweitet, steht das Land vermutlich bald endgültig vor dem Abgrund. Reisebüros haben ihre Angebote für Sri Lanka teilweise zurückgezogen, Umbuchungen werden zu Hauff angeboten. Das ist der erste Anschlag auf einen Stützpunkt in einer der Touristenhochburgen der Insel, wer weiß was kommt… Eines ist klar, wenn Sri Lanka den Tourismus verliert, ist das ein nicht auszudenkendes Desaster, es ist eine der Haupteinnahmequellen. Die Wirtschaft geht vollends in den Keller und die Armut breitet sich aus wie die Pest. Wann werden beide Seiten denn endlich mal zur Vernunft kommen? Ich frage mich oft, was noch als geschehen muss, damit die Regierung und die LTTE den Schlussstrich ziehen. Jetzt nach den gescheiterten Friedensverhandlungen eskaliert die Gewalt neu- Ein Ende ist mal wieder nicht in Sicht.

Am vergangenen Wochenende nahmen mich die jungen Schwestern des Konvents, die noch in der Ausbildung sind, mit zu ihrem Sonntagsprojekt. Sie machen sich auf den Weg zu in Armut lebenden Familien in der Umgebung Wattala. Sie leiten eine Sonntagsschule mit mehreren Altersgruppen. Sie lesen gemeinsam Bibelgeschichten, diskutieren mit den Kindern über die Themen und erschließen mit ihnen die Lebensbezüge – Themen wie Schule, Leben in der Familie und Zukunft stehen neben viel Gesang auf dem Plan. Oft machen sie sich anschließend auf den Weg zu den Häusern der Familien, leider nur der katholischer Religion, um ihre Lage zu ermitteln. Ich fragte die Schwestern natürlich nach dem Grund dieser Begrenzung: Sie machten nach ihren Angaben des Öfteren die Erfahrung, dass Menschen anderer Religionen die Hilfe oft als Missionierungsversuche auslegten und die Zusammenarbeit nicht eingehen wollten. Die meisten Familien, denen die Schwestern unterstützend zur Seite stehen sind unzureichenden Bedingungen ausgesetzt. Sie leben meist in Bretterbuden, haben keine sanitären Anlagen, leben manchmal zu mehreren Familien in einem kleinen Bau und es bestehen kaum medizinische Versorgungsmöglichkeiten. Wenn sie z.B. auf Grund von Moskitostichen (sie haben oft kein Geld, um Netze zu kaufen) an Denguefieber erkranken, haben sie meist keine Möglichkeit schnelle und effektive ärztliche Hilfe zu erhalten – das Fieber ist sehr gefährlich, bleibt es unbehandelt. Die Ehemänner sind oft arbeitslos, oder haben nur Gelegenheitsjobs für wenige Tage. Probleme wie Alkohol- und Drogensucht aber auch Gewalt in den Familien bringt das große Armutsproblem mit sich.
In dem Gebiet, das wir besuchten, besteht ein spezielles Problem, an deren Lösung die Regierung, wie in so vieler Hinsicht, nicht annähernd interessiert zu sein scheint. Es ist ein wenig so, als seien diese Menschen vergessene Wesen, die abgeschieden ihr Dasein bestreiten. Ein Fluss fließt direkt durch das Gebiet. In Zeiten des Monsuns, der Ende Oktober sehr heftig einsetzt und meist den gesamten November anhält, überschwemmt er die Häuser regelmäßig. Heißer Gestank breitet sich in der Morgenschwüle in den schlammigen Straßen aus, der Boden ist vollgesogen mit braunem Wasser, das immer wieder neu in den Häusern steht, die auf Sand gebaut sind – für Steine bleibt kein Geld.

Die Schwestern sprachen mit den Familien, denn zur Weihnachtszeit erhalten sie Geschenkpakete für ihre Kinder mit Kleidung, die das Jahr über von den Sisters gesammelt wird, weiterhin Süßigkeiten und Schulutensilien, wie neue Schuluniformen oder Bücher. Für die Uniformen ermittelten die Schwestern bei unserem Besuch die Größen der Kinder.
Die Familien klammern sich natürlich ungemein an die Schwestern, oft sprechen sie mit ihnen über ihre Probleme. Doch oft brechen verzweifelte Bitten aus den Mündern hervor, die zu Großes verlangen, so ließen wir viele niedergeschmetterte Menschen zurück. Ich fühlte mich hilflos und klein, wie gerne würde ich helfen, etwas tun, es ist, als seien Fesseln um meine Hände gebunden- unsichtbare, die jedoch unlösbar erscheinen.

Leider betreiben die Schwestern unseres Konvents kein Streetwork, doch ich fand heute heraus, dass es nahe der Küste in Wattala ein Konvent der Schwestern gibt, der sehr viel mit den Menschen in den Straßen arbeitet. Ich hoffe, dass wir dort vielleicht einmal für eine gewisse Zeit einsteigen können, um zu erleben, wie Hilfe direkt am Menschen in einem Alltag geschieht, der hier leider den Großteil des Lebens bestimmt.

Gerade in den letzten Tagen setzt der Monsunregen besonders heftig ein. Im Moment kann ich die Uhr danach stellen, wann die Schleusen sich öffnen und eine wahre Sintflut ausbricht! Menschen leiden gerade im Moment stark unter den Folgen wie Überschwemmungen, die Ausbreitung von Krankheiten, Tod durch umgestürzte Bäume und eingestürzte Häuser – über 45.000 Menschen sind wohnungslos! Der Regen bringt für die einheimische Bevölkerung eine Zerstörungswucht mit sich, der sie schutzlos ausgeliefert sind. Die Schwestern sind schon oft durch die Gebiete gezogen, die hüfthoch mit Wasser geflutet sind und haben Essenspakete verteilt. Ich habe sie begleitet – ich sage Euch es ist unvorstellbar hart sich so einem Elend ausgesetzt zu sehen.

Bevor ich mich verabschiede, möchte ich an all meine treuen Blogschreiber ein herzliches Dankeschön aussprechen. Sandy, Anna, Nina, Julia, Theda, Eve, Katharina und Mary und natürlich meine super Family (ich hoffe ich habe niemanden vergessen). Ihr seid einfach toll, einen ganz dicken Schmatzer an euch alle! Es tut so gut regelmäßig von euch zu lesen, auch wenn ich einfach oft keine Zeit habe euch allen persönlich zu antworten, so lese ich eure Einträge mit größter Freude – ich hoffe ihr bleibt dabei und wisst, dass ich an euch denke!

In diesem Sinne.
Love and Peace
Nina

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